Aktuelles

Neben der rechtsanwaltlichen Tätigkeit arbeite ich mit Interessenvertretungen (Verbänden) zusammen. Ich halte Vorträge und veröffentliche zu rechtlichen Themen, meist im Bereich Sozialrecht.

Ausgewählte Texte, die für Sie von Interesse sein könnten, stelle ich gerne auch einmal hier zur Verfügung. Dabei wird darauf hingewiesen, dass diese allgemeinen Informationen keine Rechtsberatung ersetzen können. Auch bitte ich um Verständnis, wenn dieser Bereich nicht so aktuell sein sollte, wie die Überschrift vermuten lässt. Die Erstellung der Beiträge erfolgt  im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit und im Interesse meiner Mandanten hat die Pflege und Aktualisierung dieser Internetseite keine Priorität. Ich freue mich aber auf Anregungen und Vorschläge für neue Beiträge.

Die neue soziale Pflegeversicherung:

Wie werden die Pflegegrade im Einzelnen ermittelt?

Seit dem 01.01.2017 sind der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das auf dessen Basis entwickelte neue Begutachtungsinstrument in Kraft. Die neuen Pflegegrade sind mit den bis Ende 2016 geltenden Pflegestufen nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Grundlegend geändert hat sich zunächst die Sichtweise. Statt dem defizitorientierten Blick auf den Hilfebedarf soll nun der Grad der Selbständigkeit untersucht werden.

Die Feststellung des Pflegebedarfs erfolgt aufgrund einer vierstufigen Skala (selbständig bis unselbständig) und nicht mehr durch Messung des Zeitbedarfs der Pflegeperson zur Durchführung der Pflege.

Darauf gründend werden sechs Aktivitätsbereiche des Menschen betrachtet und als Module bezeichnet.

§ 14 SGB XI:

„ (…) (2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

Das erste Modul beinhaltet die „Mobilität“ und soll hier als Beispiel dienen.

  1. Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; (…)“

Das Gesetz hat also für den Bereich der Mobilität in § 14 SGB XI Absatz 2 Nummer 1 die oben genannten fünf Kriterien (Positionswechsel im Bett etc.) festgelegt und für jedes wird dann der Grad der Selbständigkeit bestimmt. Es werden jeweils Punkte vergeben und zwar von 0 Punkte (selbständig) bis drei Punkte (unselbständig). Wenn also alle fünf Bereiche in die Kategorie unselbständig eingeordnet werden, beträgt die Gesamtpunktzahl für den Bereich Mobilität 15 (drei+drei+drei+drei+drei+drei). Die Punkte werden also addiert.

Aber was passiert dann? Wie wird aus den Punkten der Pflegegrad? Die Module finden im nächsten Schritt prozentual bei der Einstufung in die fünf Pflegrade Berücksichtigung.  Diese Ermittlung und Berechnung ist auch im Gesetz geregelt.

§ 15 SGB XI

„(…) Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet.

Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:

  1. Mobilität mit 10 Prozent, (…)

Die 15 Punkte aus unserem Beispiel sind also mit 10% für das Gesamtergebnis zu gewichten. Und dies erfolgt dann anhand von Anlage 2 zu § 15. Diese Anlage ist eine Tabelle, aus der die Punktwerte einfach abgelesen werden können:

Module Gewichtung 0 1 2 3 4
1. Mobilität 10% Keine Geringe Erhebliche Schwere Schwerste
Summe der Punkte in Modul 1   0-1 2-3 4-5 6-9 10-15
Gewichtete Punkte in Modul 1   0 2,5 5 7,5 10

Die 15 Einzelpunkte aus unserem Beispiel  im Modul 1 (Mobilität) entsprechen also 10 Punkten.

Die Eingruppierung in einen Pflegegrad erfolgt also nicht durch Addition der Einzelpunkte der Kriterien der 6 Module, sondern durch Gewichtung der Einzelergebnisse.

Aufgrund der errechneten Gesamtpunkte der Module wird dann in den Pflegegrad eingeordnet. Und auch das regelt der sehr lange § 15 SGB XI:

„(…) (3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,

ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,

ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,

ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,

ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.(…).

Eine Besonderheit besteht also für die Module 2 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten – und 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen. Hier geht nicht der Teilsummenwert sondern nur der höchste Wert in die Bewertung ein.

Die daraus folgende Ungleichbehandlung eines Versicherten mit Feststellungen in beiden Modulen (2 und 3) gegenüber Versicherten, die lediglich Feststellungen in einem Modul haben (etwa krankheitsbedingte Aggression) ist eine der unzähligen Rechtsfragen, die sich bei dieser so grundlegenden Neuerung der Gesetzeslage stellen. Die unzähligen Rechtsfragen werden die Sozialgerichte in den kommenden Jahren beschäftigen und entscheiden müssen.